LAMBERDA

Amaro Ganes

Die Ganes sind Figuren der ladinischen Mythologie, die besonders mit den Gebieten des Rosengartens (Catinaccio) und des Schlernmassivs in den Dolomiten verbunden sind. Es wird erzählt, dass sie wohlwollende Naturgeister waren, oft als Wasserfrauen beschrieben, die in Bächen und Seen lebten. Sie konnten auch die Zukunft voraussagen. Allerdings galt es als riskant, sie nach dem eigenen Schicksal zu befragen, da all ihre Prophezeiungen in Erfüllung gingen und sie oft Tod oder Unglück für diejenigen vorhersagten, die sie mit zu großer Neugierde befragten.

So entstand der Amaro mit Kräutern, die in der Nähe von Bächen und Seen wachsen, sowie Kalmuswurzel (Acorus calamus).

Die Aromen von Bergthymian und Engelwurz erinnern mit ihrer balsamischen Note an die Frische des klaren Wassers, als würde man die reine Luft der Wälder der Ganes atmen.

Am Gaumen verbindet sich die leichte Bitterkeit des Enzians harmonisch mit der holzigen Tiefe der Kalmuswurzel, während Wermutkraut (Artemisia absinthium) einen kräftigen und anhaltenden kräuterartigen Akzent hinzufügt, der an die Kräuter entlang verborgener Bäche erinnert. Das Johanniskraut verleiht mit seiner leicht würzigen und blumigen Note Balance und Wärme, wie Sonnenstrahlen, die durch die Bäume dringen, während die Bibernelle mit einer frischen und sanft süßen Note zur Ausgewogenheit der Gesamtbitterkeit beiträgt. Zum Abschluss bringt die Minze eine frische Brise, die das sensorische Erlebnis abrundet und einen langen, harmonischen Nachgeschmack hinterlässt, der perfekt mit den anderen Botanicals harmoniert.

Oswald von Wolkenstein und die Ganes

Als Oswald von Wolkenstein noch ein kleiner Knabe war, da hatte er große Freude an Musik und Gesang, doch ihm war geweissagt worden, dass er nur ein glücklicher Mensch werde, wenn er dem Saitenspiel fern bleibe, dass sein Lebensglück aber zerbreche, wenn er sich der Musik zuwende. Da ließ ihm die Mutter die Hände verzaubern, dass er kein feines Instrument anrühren könne, ohne es zu zerbrechen. Daher nannte man ihn Mandefier, „den mit den eisernen Händen“. Er wurde ein rauer Geselle, liebte den Krieg und die Jagd und trieb sich gern in der einsamen Wildnis im Schlerngebiet herum. Da begegnete er einer wunderschönen Fee, die herrlich sang und spielte und die er schließlich heiraten wollte. Die Fee willigte ein, verbot ihm aber, jemals nach ihrem Namen zu fragen. Woher sie stamme, das dürfe er wissen: Sie sei die Tochter des Königs vom versunkenen Rosengarten.

Oswald war mit allem einverstanden. Eines Nachts lauschte er jedoch dem Gespräch von wilden Cristanes und erfuhr dabei unbeabsichtigt den Namen seiner Braut: Antermoia. So nannte er sie in einem unbedachten Moment, und da war es mit dem Glück vorbei. Die Fee begann zu klagen, denn nun müsse sie für immer fortgehen. Zum Abschied schenkte sie Oswald ihre Harfe und wurde dann von einem ausbrechenden See verschlungen.

Drei Tage lang umkreiste Oswald den See in tiefer Trauer, dann nahm er die Harfe zur Hand und dichtete ein Lied, und siehe, es gelang ihm vortrefflich. Der Bann auf seinen Händen hatte sich gelöst, doch auch sein Lebensglück war dahin.

Auf der Harfe kam ihm jedoch niemand mehr gleich, und es hat nach ihm keinen größeren Spielmann mehr gegeben.

(Nach Karl Felix Wolff, Dolomitensagen, leicht gekürzt. Wolff veröffentlichte diese Version erstmals 1918, in der „Österreichischen Touristenzeitung“ N. 415.)

Sage der Ganes

Die ladinische Bevölkerung rund um die westlichen Ausläufer des Rosengarten-Gebietes, in Larsèch und Lausa, im Udaital und in Duron, wo sich die Hochalmen bis zu den Geröllfeldern der verrufenen Crode del Lago hinaufziehen, hinter denen der stille Antermoiasee vor sich hin träumt, bezeichnet die freundlichen Geister der Wildnis als Ganes, als „Wasserfrauen“: Sie sorgen für Regen und Schnee, wissen alle Wetter und hüten die Fruchtbarkeit der Wiesen und Felder.

In Fassa nennt man sie Vivane und schreibt ihnen auch die prophetische Gabe zu, die Zukunft zu deuten. Allerdings muss man vorsichtig sein, wenn man eine Vivana trifft und sie nach dem Schicksal befragen will, denn ihr Spruch geht unerbittlich in Erfüllung, und nur zu oft weissagt sie den baldigen Tod des Fürwitzigen.
Ihre berückende Schönheit betörte jedoch immer wieder so manchen jungen Burschen: Oben am Lech de Dona hätten die Vivane in bestimmten Nächten getanzt, und wer sich gesittet dazu gesellt habe, der sei willkommen gewesen und es waren fröhliche Feste. Da konnte es nicht ausbleiben, dass der eine oder andere junge Bauer sich ein Herz fasste und eine Vivana ums Heiraten fragte, und immer wieder erzählen die Sagen dann die gleiche Geschichte: Das schöne Mädchen habe eingewilligt, sich christlich taufen lassen und sei die tüchtigste und bravste Hausfrau im ganzen Dorf gewesen. So war das auch in Mazzín, wo der junge Bauer eine Vivana heimgeführt hatte und in glücklicher Ehe mit ihr lebte. Er hatte ihr versprechen müssen, sie nie nach ihrem Namen zu fragen und hielt sich auch treulich an das gegebene Wort. Alle mochten und schätzten das freundliche Wesen der jungen Bäuerin, und auf dem gesamten Hauswesen ruhte reicher Segen. Doch eines Tages, als der Mann im Wald Holz schlug, hörte er eine raue Stimme rufen: „Tarata, jei jei, che Taraton l’è mort!“ [Tarata, komm sofort zurück, Taraton ist gestorben!].
Verwundert erzählte der Bauer den Vorfall zuhause beim Abendessen, da schrie seine Gattin auf, fing bitterlich an zu weinen und sagte, nun müsse sie zurück in ihre Welt. Sie herzte und küsste die Kinder, gab dem Gatten noch einige gute Ratschläge und verschwand. Kein Mensch hat sie je wieder gesehen, doch nennt man den Hof in Mazzín, wo sie gelebt hatte, heute noch „Vivan“.